Wer hat Angst vor'm dicken Helmut?
Unser Helmut wurde als 8wöchiger "Halbstarker"
von der damaligen Freundin meines Sohnes Kim aus einer Zoohandlung freigekauft.
Ich erlebte Helmut damals bei einem Besuch als ängstliches Tierchen, das
sich auf der Fensterbank in eine Ecke gedrückt unter einem Tuch versteckte.
Beim Versuch, ihn zu streicheln, zwickte er jeden in die Finger. Offensichtlich
machte Helmut schon in dieser Zeit die Erfahrung, dass er mit Beißen eine
enorme Wirkung erzielen kann.
Einige
Wochen später übernahm mein Sohn den agoutifarbenen Ratterich, da
der Vermieter seiner Freundin die sofortige Abschaffung des "Ungeziefers"
verlangte. Helmut hatte inzwischen Gefallen an der Beißerei gefunden.
Ängstlich war er jedoch keineswegs mehr, er wusste ja nun, wie man sich
als Ratte zur Wehr setzen kann.
Als mein Sohn in den Käfig greifen wollte um den Futternapf
aufzufüllen, hackte Helmut ohne Vorwarnung beherzt zu. In einer Reflexbewegung
schlug Kim gegen den Käfig, der unter lautem Geschepper erbebte. Helmut
war von dem Getöse und dem Käfigbeben derart beeindruckt, dass er
nie wieder versuchte Kim zu Beißen. Mit anderen Personen brachte Helmut
dieses schreckliche Erlebnis jedoch nicht in Zusammenhang, denn er war ein kluges
Kerlchen.
Jeder Fremde wurde nun von Helmut erst einmal auf seine Reaktionen
getestet. Er zwickte leicht in einen Finger und wenn die Testperson sich auch
nur ansatzweise erschrak, hackte Helmut bei nächster Gelegenheit sofort
erbarmungslos zu. Erfolgte auf sein Fingerfassen keinerlei Reaktion der Testperson,
versuchte er es nochmals etwas kräftiger. Wurde Helmut nun angepustet und
geschimpft, gab er scheinbar auf, aber nur um einige Zeit später einen
erneuten Test zu starten.
Ansonsten
war Helmut ein ganz normaler lieber und neugieriger Rattenmann. Man konnte ihn
frei laufen lassen, er ließ sich auch widerstandslos hochnehmen, kletterte
auf uns herum, auch unter dem Pullover; aber wehe, er entdeckte nackte Hände.
Bei bereits ausgetesteten Personen, legte er dann die Ohren nach hinten, seine
Augen wurden zu Schlitzen und unmittelbar darauf folgte der schmerzhafte Angriff.
Für mich war es schon Routine, die Hände in den Pulloverärmeln
zu verstecken, wenn Helmut sich näherte.
Helmut blieb irgendwann bei mir und durch liebevolle Zuwendung
wurden seine Beißattacken immer seltener. Ich habe ihn kein einziges Mal
für sein Verhalten "bestraft", war nur unendlich enttäuscht
wenn er doch mal wieder aus heiterem Himmel zugeschlagen hatte, und sagte dann
nur traurig zu ihm: "Ach Helmut, warum hast Du das nun wieder gemacht?"
Helmut beobachtete mich sehr genau und irgendwie hatte ich das Gefühl er
guckt so, als ob es ihm leid täte. Endlich, nach Monaten, wurde auch ich
von meinem süßen Dickerchen nie wieder verletzt.
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